„Art und Weise“ die Museums-App der Frankfurter Rundschau
Firma: Mediengruppe M. DuMont Schauberg GmbH & Co. KG Größe: 62.28 MB Version: 2.1.23 Entwickelt für: iPad |
Beschreibung
„Art und Weise“ die Museums-App der Frankfurter Rundschau
Wir Kopien von Kopien
In der neuen Museums-App der Frankfurter Rundschau geht es um die Documenta, um Jeff Koons, um El Greco, um die allerälteste Kunst und wie wir sie finden. Wer genauer hinschaut, der wird entdecken, dass es überall ums Kopieren geht, um die kleinen Veränderungen, die dabei vorgenommen werden oder auch nur einfach passieren
Macht es Dir immer Spaß, in Ausstellungen und Museen zu gehen?“, fragt mich eine Freundin. „Wenn es ein paar Plätze zum Hinsetzen gibt und ein angenehmes Café, sicher“, antworte ich. Museen sind keine Hausaufgaben. Ich muss nicht alles sehen und schon gar nicht jedes Mal, wenn ich dort bin. Es gibt Tage, da verbringe ich sechs Stunden in einem Haus. Ich habe dann manchmal eines dieser kleinen Büchlein, die ich mit mir führe, bis zur letzten Seite vollgeschrieben. Ein andermal breche ich schon nach einer Stunde zusammen und will nur noch hinaus. Und manchmal gehe ich nur hin, um einen alten Bekannten zu besuchen. Das ist dann nicht einmal eine halbe Stunde.
Meine Freundin verstand das nicht. Sie würde niemals allein in ein Museum gehen. Sie geht hin, um sich über die Bilder zu unterhalten. Sie geht auch nicht allein ins Kino oder ins Theater. Sie möchte ein Gegenüber haben, jemanden, mit dem sie sich austauschen kann über das Gesehene. Auf Bildern der Aufklärung sieht man Männer vor Gemälden oder auch Statuen stehen und sich heftig darüber streiten. Kunst wurde schon immer auch danach beurteilt, ob sie Stoff gab für Unterhaltung. Meine Freundin steht in einer großen, überaus sympathischen Tradition.
Der einsame Betrachter vor dem Werk ist eher ein Objekt für Karikaturisten. Wer allein ist, flieht zu den Bildern, weil er mit den Menschen nicht kann. Bei den Bildern hat er immer Recht. Sie geben keine Widerworte. Sie bleiben nicht nur die, die sie sind. Sie bleiben Jahrhunderte lang oft sogar, wo sie sind. Solche Beständigkeit schätzt der alte Geselligkeitsmuffel. Manchmal freilich sind die Bilder so lebendig, dass sie ihn von seinen Sitzen treiben, dass sie ihn anspornen, auch mal wieder etwas zu machen. Er mag das. Denn die Bilder zwingen ihn nicht. Sie legen ihm nahe, sie machen ihm schmackhaft. Mehr nicht. Er liebt das, wenn er spürt, dass die Bilder etwas von ihm wollen. Er fühlt sich dann wieder lebendig.
Fast die gleiche Wirkung hat es, wenn sie ihn erschrecken, wenn sie ihn daran erinnern, wie beschützt die Welt ist, in der er lebt. Er schämt sich dann und möchte den Mut haben, auszubrechen und etwas Sinnvolles zu tun, aber er hat es nie geschafft, wie soll er es jetzt schaffen? Aber es ist gut, daran erinnert zu werden, dass man nicht so dahinleben müsste, dass man sich einsetzen könnte für etwas, dass man überhaupt etwas machen könnte. Aber er kann nicht einfach kopieren und hoffen, dass das schon etwas sei. Er kann es nicht, obwohl er begriffen hat, dass wir alle nicht nur kopieren, sondern sogar – ich habe vergessen zu wie viel Prozent – nichts sind als Kopien, die sich in andere Kopien verlieben oder sie mit Krieg überziehen oder Fußball spielen mit ihnen.
Für alle Fehler, für alle Unsinnigkeiten, für alles, das Sie stört, ist niemand anderer zur Verantwortung zu ziehen als der Autor, Ihr Arno Widmann